Wird Verkehrsteilnehmern anlässlich von Geschwindigkeitskontrollen der Vorwurf gemacht, die zulässige Höchstgeschwindigkeit überschritten zu haben, sollten diese Vorwürfe die den Betroffenen als Bußgeldbescheide zugehen, nicht unwidersprochen hingenommen werden:
Bis auf geringe Ausnahmen finden derzeit bei Geschwindigkeitsmessungen nur so genannte „standardisierte“ Messverfahren Anwendung.
Darunter versteht man ein vereinheitlichtes technisch Verfahren, bei dem alle Anwendungsvoraussetzungen – standardisiert – festgelegt sind. Der Tatrichter in einem Bußgeldverfahren darf deshalb davon ausgehen, dass bei Anwendung eines standardisierten Verfahrens auch die Ergebnisse immer gleich, sprich immer richtig sind.
Zu diesen standardisierten Verfahren gehören Laser- und Radarmessungen, Lichtschranken und stationäre Geschwindigkeitsmessungen sowie Messungen durch Video mittels nachfahrender Fahrzeuge.
Benutzt die Polizei/Ordnungsbehörde standardisierte Messeinrichtungen, so darf der Tatrichter vorab davon ausgehen, dass das Messergebnis auch richtig ist. Er muss von sich aus keine Ermittlungen dazu anstellen, ob auch die Regeln des standardisierten Messverfahrens von den eingesetzten Beamten eingehalten worden sind.
Daher ist es immer Aufgabe des Verteidigers, im Einzelfall durch Akteneinsicht selbst zu hinterfragen und zu erforschen, ob die Beamten den Standard auch eingehalten haben. Dazu gehört die Überprüfung des Messfotos/Messvideos auf erkennbare Unregelmäßigkeiten, auch die Überprüfung des Messprotokolls. Überprüft werden kann und muss dann weiterhin, ob die eingesetzten Beamten auch entsprechend geschult worden sind, was Voraussetzung ist für ein standardisiertes Verfahren. Des Weiteren ist nicht nur zu überprüfen, ob die Geräte auch geeicht worden sind, sondern insbesondere, ob die Geräte nicht während des Eichzeitraumes repariert worden sind. Dann endet nämlich die Eichung vorab und das Gerät darf nur nach neuer Eichung wiederverwandt werden. Insofern empfiehlt es sich für Verteidiger, in die so genannte „Lebensakte“ des verwendeten Messgerätes Einsicht zu nehmen, oder die Bußgeldbehörde aufzufordern, entsprechende Stellungnahmen der verantwortlichen Beamten einzuholen.
Schließlich ist zu überprüfen, ob die Beamten das Gerät auch entsprechend der Gebrauchsanleitung des Gerätes eingesetzt haben. Dafür ist natürlich Voraussetzung, dass auch Einblick in die Gebrauchsanweisung gewährt wird. Dazu sind gerade erst zwei aktuelle Urteile ergangen, nämlich vom Amtsgericht Heidelberg am 05.01.2012 und vom Amtsgericht Lüdinghausen am 09.02.2012. Die Gerichte haben dem Verteidiger eindeutig die Befugnis zugesprochen, auch Einsicht in die Bedienungsanleitung zu bekommen. Das Urteil des AG Lüdinghausen ist insbesondere von regionaler Bedeutung, nicht nur weil es von einem regionalen Amtsgericht verfasst wurde, sondern weil der erkennende Richter auch anerkannter Fachmann und Autor vieler Aufsätze zu Problemfällen falscher Geschwindigkeitsmessungen ist!
Um die Kontrollierenden zu kontrollieren, ist es erforderlich, einen Rechtsanwalt zu beauftragen, da nur dieser die entsprechende Akteneinsicht erhält. Der Gemessene selbst kann vor Ort schon zur Kontrolle beitragen, indem er, soweit er bemerkt hat „geblitzt“ worden zu sein, überprüft, wie genau das Messfahrzeug am Wegesrand abgestellt ist und ob der Messbeamte aufmerksam ist und nicht etwa ein Nickerchen macht. Denn manche Messgeräte setzen einen „aufmerksamen Messbetrieb“ voraus, so dass der Messbeamte schon erklären muss, warum er vielleicht nicht so aufmerksam war, wie erforderlich.
Allseits unfall- und blitzfreie Fahrt wünscht
Ihr Rechtsanwalt Jürgen Struck